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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Polis als parlamentarische Beteiligungsstruktur – das Gymnasium Neuhaus

Materialien

Schule als Polis

Polis als parlamentarische Beteiligungsstruktur – das Gymnasium Neuhaus

Das Thüringer Gymnasium Neuhaus beschreibt eine stärker parlamentarisch organisierte Schuldemokratie, die Schulleitung, Lehrer-/innen, Schüler-/innen und Eltern einbezieht und von diesen gemeinsam entwickelt wurde. Im Folgenden skizziert werden soll speziell das Schülerparlament des Gymnasium sowie eine ebenfalls demokratierelevante, auf die Förderung von Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung und Kooperation zielende Konzeption des Unterrichts an der Schule.
 
Die Entwicklung des Schülerparlaments am Gymnasium Neuhaus geht auf eine  Initiative von Schüler/-innen zurück, die den Wunsch nach einer neuen, die bisherige Einrichtung der SMV ablösenden Möglichkeit suchten, ihre Interessen besser zu vertreten und die Zusammenarbeit zwischen Lehrer/-innen und Schüler/-innen zu optimieren. Die Mitglieder des Parlaments werden in einer jährlich stattfindenden, geheimen Wahl gewählt. Der Wahl voraus geht ein kleiner Wahlkampf der von den Klassen jeweils nominierten Bewerber/-innen. Da jeder Jahrgang im Parlament durch zwei Schüler/-innen repräsentiert werden soll, werden die Wahlen nach Klassenstufen getrennt durchgeführt.
 
Die insgesamt 48 Schüler/-innen, die so von insgesamt 740 Schüler/-innen ins Parlament gewählt werden, teilen sich auf drei Ausschüsse auf: den Hausausschuss, den Vermittlungsauschuss und den Kulturausschuss. Jedem dieser Ausschüsse steht jeweils ein/-e wiederum gewählte/-r Vorsitzende/-r vor, die/der damit gleichzeitig die Funktion eines/-r Schülersprechers/-in zukommt. Außerdem steht jedem Ausschuss jeweils ein/-e Lehrer/-in zur Seite, der/die bei Bedarf als Ratgeber/-in hinzugezogen werden kann.
 
Das Aufgabenfeld des Hausausschusses umfasst im Wesentlichen die Diskussion schulinterner Regeln (z.B. der Hausordnung), Fragen der Gestaltung des Schulgebäudes (z.B. Raumnutzung) sowie die Verwaltung finanzieller Mittel. Der Vermittlungsausschuss befasst sich mit Problemen, die Schüler/-innen miteinander haben und solchen, die es zwischen Schüler/-innen und Lehrer/-innen gibt. Sowohl Schüler/-innen als auch Lehrer/-innen haben die Möglichkeit, hier Beschwerden vorzubringen, um die Probleme mit der jeweiligen Gegenpartei mit Hilfe des Vermittlungsausschusses zu lösen. Dazu arbeitet der Vermittlungssausschuss eng mit den an der Schule aktiven Streitschlichter/-innen sowie den Beratungslehrer/-innen zusammen. Der Kulturausschuss schließlich kümmert sich um die Organisation von Veranstaltungen wie z.B. Schulfeste, Studienfahrten, Projektwochen usw.. Außerdem ist er für die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Schule (Schüler/-innenzeitung, Wahlinformationen) sowie über die Schule hinaus (Zeitungsberichte usw.) zuständig.

Neben diesen Möglichkeiten der Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme von Schüler/-innen gehört zur Schuldemokratie am Gymnasium Neuhaus auch, dass Demokratie als Strukturprinzip des Unterrichts verstanden wird. So wird an der Schule großer Wert auf Formen kooperativen und selbständigen Lernens gelegt, bei denen der/die Lehrer/-in weniger als Wissensvermittler/-in und weitaus mehr als Lernbegleiter/-in und Moderator/-in fungiert. In dem Zusammenhang erwähnenswert erscheint das Profilfach "Lernen lernen", in dem die Schüler/-innen von der 5. bis zur 9. Klasse verschiedene Lernmethoden erwerben, welche letztlich eine wichtige Voraussetzung dafür sind, an der "großen", wissensbasierten und sich Zivilgesellschaft als kompetenter Bürger partizipieren zu können.

Neben aktivierenden und auf Kooperation bauenden Lernformen stellen insbesondere Portfolios einen wichtigen Bestandteil des demokratischen Prinzips des Unterrichts dar, da sie den Schüler/-innen dazu dienen, ihr Lernen und Arbeiten selbständig zu planen und auch beurteilen zu können. Damit einher geht ferner die Trennung von sog. "Lern- und Leistungsräumen" im Unterricht. Leistungsräume sind jene Zeiten, in denen in Abhängigkeit von gesetzten Leistungszielen das Wissen und Können der Schüler/-innen bewertet wird, sie ihr Können zeigen können und durch Bewertung Bestätigung erfahren. Lernräume hingegen sind solche Zeiten, in denen es Schüler/-innen ermöglicht werden soll, losgelöst von Leistungsdruck und schulischer Benotung positive Erlebnisse des eigenen Könnens und persönlicher Weiterentwicklung sammeln zu können (wobei wiederum auch die Portfolios eine Rolle spielen; weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserem Demokratiebaustein "Arbeit mit Portfolios").

Insgesamt liefert das Gymnasium Neuhaus einen Eindruck dessen, was Strukturelemente zur Förderung von Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme im Schulleben sowie zur Selbstbestimmung und Kooperation im Unterricht sein können. Dabei werden den Schüler/-innen im Rahmen des Schülerparlamentes neben grundlegenden Erfahrungen politischer Mitbestimmung (in Form von Wahlen, parlamentarischer Diskussion, Abstimmung u.a.) besonders innerhalb der drei Ausschüsse verschiedenartige Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und Mitwirkung an der Regelung der "gemeinsamen Angelegenheiten" ermöglicht. Während diese Formen in erster Linie die Mitgestaltung des gemeinsamen Schullebens umfassen und dabei i.e.S. nur die gewählten Interessenvertreter aktiv eingebunden sind, können die Formen der Selbstwirksamkeitsförderung im Unterricht in gewisser Weise als ergänzend verstanden werden. Mit ihrer Hilfe soll allen Schülern die Ausbildung persönlicher und sozialer Selbstwirksamkeitsüberzeugungen ermöglicht werden, die ihrerseits eine bedeutende psychologische Grundlage zur aktiven Partizipation in Schule und Gesellschaft darstellen.

Polis am Gymnasium Neuhaus
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