Warum verstehen wir uns nicht? Ein besseres Miteinander durch die Erarbeitung von Kommunikationsregeln (Freistaat Sachsen)
Zwischenbilanz
Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?
Mit der Durchführung der beiden pädagogischen Tage sollte an der Schule ein Ausgangspunkt und Signal zu veränderter Kommunikation gesetzt werden. Alle Klassen hatten nach den beiden Tagen Klassenregeln aufgestellt, damit sollte nun weiter gearbeitet bzw. diese vor allem auch umgesetzt werden. Dieser Prozess geschah sehr vielschichtig und umfasste mehrere Ebenen des Schulalltages.
In den Klassen/auf Klassenstufenebenen
Da in allen Klassenzimmern die Arbeitsergebnisse der pädagogischen Tage und die vereinbarten Regeln öffentlich aushingen, konnte jeder Lehrer und Schüler bei Störungen unmittelbar auf diese verweisen und für die regelmäßigen Auswertungsgespräche und Trainingseinheiten in den pädagogisch-sozialen Förderstunden Hinweise geben bzw. Hilfen anbieten.
Es entstand im Laufe des Schuljahres ein Rahmenplan für ein Kommunikations- und Sozialtraining in den einzelnen Klassen, welches im Rahmen der pädagogisch-sozialen Förderstunden (PSF) durchgeführt werden kann:
- Warum ist mein Mitschüler anders? - Konfliktbewältigung
- aggressionsabbauende Spiele
- Wo ist mein Problem - Konfliktfindungsübungen
- Wie reden wir miteinander?
- Der Ton macht die Musik - Diskussionen zum Umgang miteinander
- Der Lehrer meckert nur - und wir? - Diskussion zum Lehrer - Schülerverhältnis
- Wie verbringe ich die Pause sinnvoll?
- Meine Rechte - meine Pflichten. Schüler legen Regeln dazu fest
- Unsere Zimmergesetze - Festlegen von Regeln zu Ordnung und Zusammenleben
- Konfliktlösungen - Mediationsübungen
- Wer bin ich? - Übungen und Spiele zur Selbsterfahrung
- Zur Abstimmung das Pfötchen hoch? - Möglichkeiten, die Gruppenmeinung zu ermitteln
In den Klassenstufen 6 bis 8 gab es ergänzende Projekte mit den Mitarbeitern des Schultheaters Dresden e. V. Hier lernten die Schüler mit der Methode des Forumtheaters andere Möglichkeiten der Konfliktdarstellung und -bearbeitung kennen.
Nutzung der Schulstation
Auf Grund unseres Arbeitszeitmodells haben wir uns die Möglichkeit einer durch Lehrer betreuten Schulstation geschaffen. Als Räumlichkeit dient die Schülerbibliothek, die mit ihrer Einrichtung nicht der Atmosphäre eines Klassenzimmers entspricht.
Gibt es während einer Unterrichtsstunde Störungen und kann der Lehrer diese nicht unterbinden bzw. im Sinne der Regeln erfolgreich bearbeiten, kann der Schüler den Unterrichtsraum verlassen und die Schulstation aufsuchen. Hier führt der betreuende Lehrer mit dem Schüler ein Einzelgespräch, in dem an der Bewältigung der Kommunikationsstörung bzw. des Konfliktes gearbeitet wird. Eine Rückmeldung an den Klassenleiter erfolgt über Laufzettel.
Einführung einer Schüleraufsicht
Ein Anspruch aus den pädagogischen Tagen war, dass die Schüler selbst wesentlich mehr und verantwortungsbewusster an der Gestaltung des Schulklimas teilnehmen wollten: „Wenn wir selbst Festlegungen zur Pausengestaltung treffen und kontrollieren, halten wir uns auch mehr an diese Vereinbarungen“. So kam es zur Einführung einer Schüleraufsicht, die auf Akzeptanz bei Schülern und Lehrern stieß.
Die Auswahl der Schüler, die Festlegung der Aufgabenbereiche und die Rückkopplung bei Problemen erfolgte über den Schülerrat und einen Betreuungslehrer.
Weiterführende Projekte
Freiarbeit
Im Rahmen der Freiarbeit Klassenstufe 8 gab es das Thema „Zusammenleben in der Schule“ als fächerübergreifendes Projekt der Fächer Ethik, Gemeinschaftskunde und Deutsch. Die Schüler arbeiteten klassenübergreifend an Fragen wie:
- Ablauf des Schulalltages früher - heute - morgen
- Prügelstrafe in der Schule und Schulpolizei - löst das Konflikte?
- Aufbau von Schulsystemen.
Es entstand eine Ausstellung zu „Schule gestern - heute - morgen“.
Kurs Soziales Lernen
Ein weiterer Mosaikstein bei der Umsetzung unserer Zielstellung war die Einführung eines Kurses Soziales Lernen in den Klassenstufen 5 und 6, der durch eine intensive Fortbildung von Kolleginnen in einem Lions-Quest-Seminar angeregt wurde.
Parallel zum Lerntechnikkurs wollten wir u. a. folgende Fähigkeiten der Schüler fördern:
- eigene Entscheidungen verantwortlich treffen,
- Konflikt- und Risikosituationen in ihrem Alltag begegnen können,
- für Probleme positive, also gewaltfreie Lösungen finden,
- ihre Kritikfähigkeit sich selbst und anderen gegenüber stärken,
- sich sensibel mit ihren eigenen und fremden Gefühlen auseinander setzen.
Unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Kurses ist das gegenseitige Vertrauen zwischen Schülern und dem Kursleiter, der in diesem Fall der Klassenleiter war. Zahlreiche Arbeitsergebnisse wurden sehr anschaulich auf Postern und Plakaten visualisiert und im Klassenzimmer oder im Schulhaus ausgehangen. Dieses öffentliche Ausstellen einzelner Arbeiten bot immer wieder Raum zu Gesprächen und Diskussionen unter den Schülern, auch verschiedener Klassenstufen.
Als zunehmend hilfreich erwiesen sich Kompetenzen in der Umsetzung bestimmter Arbeitstechniken. Die Verschmelzung von Lerntechniken, Methodenkenntnissen und sozialen Kompetenzen wurde im Verlauf der folgenden Schuljahre immer spürbarer und ist heute ein typisches Merkmal unsere Arbeit.
Aktivierung der Schülervertretung
Beflügelt, dass durch ein offenes und ehrliches Reden miteinander mehr erreicht werden kann, wurden auch unsere Schülervertreter aktiver wirksam. Regelmäßigere Treffen fanden statt, Probleme aus den Klassen wurden gemeinsam diskutiert, Hilfen durch ältere Schüler zur Bewältigung angenommen.
Ein Treffen mit Schülern auf einer Tagung im Verbund Selbstwirksamer Schulen e.V. gab den Anlass, eine Initiative „Wohlfühlen in der Schule“ zu starten. Unsere Schülervertreter nahmen sich vor, in Eigenregie die Schülertoiletten zum Schuljahresende herzurichten. Aktionen wie Sponsorensuche für notwendige Gelder, Einholung von Genehmigungen, Planung der auszuführenden Arbeiten und Gewinnung von Mitstreitern waren nur einige der zu bewältigenden Aufgaben. Dieser Prozess, der eng mit Kommunikation verbunden war, wurde von den Schülervertretern selbst ausgelöst und gesteuert.
Eine intensive Zusammenarbeit und ein reger Erfahrungsaustausch ergab sich mit dem Schülerrat einer benachbarten Mittelschule. An diese Schule wird ein Großteil unserer Schülerschaft nach der bevorstehenden Schulschließung wechseln und die Ideen und Ansätze aus dem sächsischen Modellversuch „Schulleben und Unterricht demokratisch gestalten“ fortführen.